(1) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen über Tag
und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will (Pflegeperson), bedarf der
Erlaubnis. Einer Erlaubnis bedarf nicht, wer ein Kind oder einen
Jugendlichen
im Rahmen von Hilfe zur Erziehung oder von Eingliederungshilfe für
seelisch behinderte Kinder und Jugendliche auf Grund einer Vermittlung
durch das Jugendamt,
als Vormund oder Pfleger im Rahmen seines Wirkungskreises,als Verwandter oder Verschwägerter bis zum dritten Grad,
bis zur Dauer von acht Wochen,im Rahmen eines Schüler- oder Jugendaustausches,
in Adoptionspflege (§ 1744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)über Tag und Nacht aufnimmt.
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Wohl des Kindes oder des
Jugendlichen in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist. § 72a Absatz 1
und 5 gilt entsprechend.
(3) Das Jugendamt soll den Erfordernissen des
Einzelfalls entsprechend an Ort und Stelle überprüfen, ob die
Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen. Ist das
Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle gefährdet und
ist die Pflegeperson nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung
abzuwenden, so ist die Erlaubnis zurückzunehmen oder zu widerrufen.
(4) Wer ein Kind oder einen Jugendlichen in
erlaubnispflichtige Familienpflege aufgenommen hat, hat das Jugendamt
über wichtige Ereignisse zu unterrichten, die das Wohl des Kindes oder
des Jugendlichen betreffen.
6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer
Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu
erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der
örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die
Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den
Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu
unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die
Zuständigkeit nach Satz 1.
1Wird Hilfe nach den §§ 33 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 gewährt, so ist auch Krankenhilfe zu leisten; für den Umfang der Hilfe gelten die §§ 47 bis 52 des Zwölften Buches entsprechend. 2Krankenhilfe muss den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen. 3Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen sind zu übernehmen. 4Das
Jugendamt kann in geeigneten Fällen die Beiträge für eine freiwillige
Krankenversicherung übernehmen, soweit sie angemessen sind.
Das KJHG trat am 1. Januar 1991 in den westlichen Bundesländern in
Kraft und löste das bis dahin geltende deutsche Jugendwohlfahrtsgesetz
(JWG) von 1961 ab. In den neuen Bundesländern erlangte das KJHG bereits
mit dem Beitrittstermin am 3. Oktober 1990 seine Gültigkeit.Das KJHG war
ein Artikelgesetz mit insgesamt 24 Artikeln, seine Artikel enthielten
Änderungsaufträge an andere Gesetze zum Zeitpunkt 1991.
Das KJHG wurde zum Kern des aktuellen Sozialgesetzbuch Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) mit
aktuell 105 Einzelparagraphen,in das das KJHG überführt wurde. Das
Sozialgesetzbuch Deutschlands enthält neben dem Achten Buch 11 weitere
Bücher anderer Sachgebiete.
Wenn umgangssprachlich noch vom „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ gesprochen wird, ist das SGB VIII gemeint.
In einem Hilfeplan muss das Jugendamt die Beteiligten über die
Rahmenbedingungen und (langfristigen) Folgen der Hilfemaßnahme aktiv
informieren. Dazu sollen folgende Fragen beantwortet werden:
Beteiligte am Hilfeplanverfahren
rechtlicher und zeitlicher Rahmen der Hilfe
Beschreibung der Situation, die eine Hilfe nötig macht (Anamnese) bzw. durch Hilfe bereits erreichte Situation
konkreter Hilfebedarf
konkretes Hilfeangebot
Ziele der Hilfe
mögliche Schritte zum Erreichen dieser Ziele
Am § 36
SGB VIII wird der Paradigmenwechsel in der öffentlichen Jugendhilfe
deutlich. Statt einer einseitigen Verwaltungsentscheidung des
Jugendamtes verlangt § 36
SGB VIII eine Kooperation zwischen den Fachkräften der Behörde und den
beteiligten Hilfesuchenden. Bestandteil der Kooperation ist eine
umfassende Beratung. Der Hilfeprozess und die Entscheidung des
Jugendamtes sind in einem Hilfeplan zu dokumentieren.
Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht
(Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder
und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit
pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung
fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des
Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung
der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie
1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der
allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.
Das Sorgerecht bedeutet das Recht und die Pflicht, für ein Kind oder
einen Jugendlichen zu sorgen (§1626 BGB). Dabei hat der Sorgeberechtigte
seine Handlungen und Entscheidungen so zu gestalten, dass sie dem Wohl
des Kindes entsprechen.
Sorgerecht ist ein Elterngrundrecht. Die Elterngrundrechte sind gem.
Artikel 6 des Grundgesetzes besonders geschützt, in sie darf nur unter
strengen Voraussetzungen eingegriffen werden.
Das Sorgerecht umfasst die Personensorge und die Vermögenssorge. Im
Rahmen der Personensorge hat der Sorgeberechtigte sämtliche
grundsätzliche das Kind betreffende Angelegenheiten zu entscheiden.
Ist das körperliche, seelische oder geistige Wohl eines Kindes
gefährdet und sind die sorgeberechtigten Eltern nicht bereit oder in der
Lage, dieser Kindeswohlgefährdung Einhalt zu gebieten, kann in das
Sorgerecht eingegriffen werden. Hierfür bedarf es immer einer
familiengerichtlichen Entscheidung.
Wird ein Antrag auf Entzug der elterlichen Sorge oder auf Entzug von
Teilen der elterlichen Sorge gestellt, hat das Gericht zu prüfen, ob
tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ob der Eingriff in
das elterliche Sorgerecht wirklich notwendig ist oder ob der
Kindeswohlgefährdung auch mit „milderen“ Mitteln begegnet werden kann.
Im Falle eines Eingriffs in das Sorgerecht dürfen immer nur diejenigen
Bereiche der elterlichen Sorge entzogen werden, deren Entzug für eine
kindeswohlförderliche Entwicklung erforderlich ist. Das Familiengericht
hat zudem in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob der Entzug des
Sorgerechtes noch gerechtfertigt ist (§ 1696 BGB) oder ob er aufgehoben
werden kann.
Leibliche Eltern können noch das Sorgerecht für ihre in
Pflegefamilien untergebrachten Kinder haben. Stimmen sie einer
Entscheidung zur Unterbringung in einer Pflegefamilie zu und tragen
diese Entscheidung mit, gibt es in der Regel zunächst keinen Grund,
ihnen das Sorgerecht zu entziehen. Sind sie mit einer Unterbringung
außerhalb der eigenen Familie nicht einverstanden, obwohl nach
Einschätzung der Fachkräfte des Jugendamtes eine solche Hilfemaßnahme
erforderlich ist, kann das Gericht – wenn es diese Einschätzung teilt –
Teile des Sorgerechtes wie z.B. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das
Recht, Anträge beim Ämtern und Behörden zu stellen, entziehen. Reicht
ein solcher Entzug von Teilen des Sorgerechtes aus, um die erforderliche
Hilfemaßnahme sicherzustellen, verbleiben die übrigen Anteile des
Sorgerechtes bei den leiblichen Eltern. Sind die leiblichen Eltern nicht
erreichbar oder widersprechen sie notwendigen Entscheidungen, können
auch weitere Teile des Sorgerechtes (z.B. die Gesundheitsfürsorge oder
die Vertretung in schulischen Angelegenheiten) oder das Sorgerecht
insgesamt entzogen werden. Auch dauerhafte Gleichgültigkeit (z.B.
wiederholt Nichtteilnahme an Hilfeplangesprächen) kann einen
Sorgerechtsentzug rechtfertigen, da die Eltern damit ihrer
Verpflichtung, das Sorgerecht auszuüben, nicht nachkommen.
Werden Teile des Sorgerechtes entzogen, wird für die Bereiche ein
Pfleger eingesetzt. Wird das Sorgerecht insgesamt entzogen, erhält das
Kind einen Vormund. Der Pfleger/Vormund übernimmt die Aufgaben des
Sorgeberechtigten. Auch seine Entscheidungen müssen sich am Kindeswohl
orientieren.
Lebt ein Kind dauerhaft in einer Pflegfamilie und wurden den
leiblichen Eltern Teile des Sorgerechts oder das Sorgerecht insgesamt
entzogen, können Pflegeeltern beantragen, als Pfleger bzw. Vormund für
ihr Pflegekind eingesetzt zu werden.
Als Vormund soll eine Person ausgewählt werden, die nach ihren
persönlichen Verhältnissen sowie nach den sonstigen Umständen zur
Führung der Vormundschaft in der Lage ist (§ 1779 Abs. 2 BGB).Steht eine
solche Person nicht zur Verfügung, kann das Jugendamt (§1791 b BGB)
oder ein Verein mit der Führung der Vormundschaft beauftragt werden.
Besteht eine Amtsvormundschaft, ist das Jugendamt gem. § 56 SGB VIII Führung der Beistandschaft, der Amtspflegschaft und der Amtsvormundschaft
gesetzlich dazu verpflichtet, jährlich zu überprüfen, ob nun ein
geeigneter Einzelvormund zur Verfügung steht und dies ggf. dem Gericht
zu melden. Wird dem Gericht bekannt, dass eine geeignete Person zur
Verfügung steht und dient die Einsetzung dieser Person als Einzelvormund
dem Wohl des Kindes, hat das Gericht den Amtsvormund zu entlassen und
einen Einzelvormund zu bestellen.(§ 1887 BGB).
Die Einzelvormundschaft ist somit vor der Amtsvormundschaft immer
vorrangig. Denn vom Sinn der Vormundschaft her, ist ein
Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Vormund unabdingbar – schließlich
entscheidet der Vormund in allen das Kind betreffenden grundsätzlichen
Angelegenheiten und ist gehalten, diese Entscheidungen so zu treffen,
dass sie zum Wohl des Kindes sind. Hierfür muss der Vormund das Kind
kennen und regelmäßigen und vertrauten Kontakt zu ihm haben. Dies kann
eine natürliche Person einfacher leisten, als der Vertreter einer
Institution.
Pflegeeltern als Vormund für ihr Pflegekind
Pflegeeltern sind natürliche Personen. Sie leben mit dem Pflegekind
zusammen und kennen es. Daher kommen sie grundsätzlich als Vormund in
Betracht. Pflegekinder wünschen sich oft, dass ihre Pflegeeltern die
„volle Entscheidungsgewalt“ haben, dass sie sie z.B. bei grundsätzlichen
schulischen Belangen oder in allen gesundheitlichen Fragen vertreten
können und hierzu keine „Erlaubnis“ benötigen. Dies kann das Vertrauen
des Kindes in seine Pflegeeltern stärken.
Bei der Benennung eines Einzelvormundes hat das Vormundschaftsgericht zwei Fragen zu prüfen:
1. Kommt die Person als Vormund überhaupt in Betracht?
2. Kommt sie für dieses Kind in Betracht?
Die erste Frage ist bei Pflegeeltern grundsätzlich zu bejahen. Denn
die Anforderungen, die an die Geeignetheit als Pflegeeltern gestellt
werden, liegen höher als die Anforderungen, die eine Person als Vormund
geeignet erscheinen lassen.
Bei der zweiten Frage hat das Gericht zu prüfen, ob Pflegeeltern für ihr Pflegekind Vormund werden können.
Diese Frage ist zu bejahen, wenn
· das Pflegekind bereits seit geraumer Zeit in der Pflegefamilie lebt und dort auf Dauer verbleiben soll,
· es keine besonderen Schwierigkeiten im Pflegeverhältnis gibt, die die
Einsetzungen einer „neutralen“ Entscheidungsperson als Vormund (z.B. als
„Puffer“ zwischen leiblichen und Pflegeeltern) sinnvoll erscheinen
lassen,
· keine Interessenskonflikte der Pflegeeltern (in ihrer Doppelrolle Pflegeeltern-Vormund) zu erwarten sind und
· die Pflegeeltern zur Übernahme der Vormundschaft bereit sind.
Nicht von Bedeutung ist die Tatsache, dass der Amtsvormund seine Aufgabe
möglicherweise bisher gut gemacht hat, denn auch in diesem Fall ist die
Benennung einer geeigneten Person als Einzelvormund vorrangig.
Pflegeeltern können selber bei Gericht beantragen, anstelle eines
Amtsvormundes als Einzelvormund für ihr Pflegekind eingesetzt zu werden.
Das Gericht beteiligt dann das Jugendamt, die leiblichen Eltern, die
Pflegeeltern und – je nach Alter angemessen – das Kind. In der Regel
wird auch ein Verfahrenspfleger bestellt.
Haben die leiblichen Eltern noch das Sorgerecht, können sie oder die
Pflegeeltern (mit Zustimmung der leiblichen Eltern) bei Gericht
beantragen, dass das Sorgerecht oder Teile davon auf die Pflegeeltern
übertragen werden.
Gemäß § 1775 BGB ist es auch möglich, beide Pflegeeltern (Ehepaar) gemeinschaftlich zu Vormündern oder Pflegern zu bestellen.
Pflegeeltern erhalten für das Führen der Vormundschaft auf Antrag
eine jährliche pauschale Aufwandsentschädigung. Sind beide Pflegeeltern
gemeinschaftlich als Vormund eingesetzt, können beide die
Aufwandsentschädigung beantragen.
Auch Pflegeeltern sind verpflichtet, ihre Handlungen als Vormund am
Wohl des Kindes auszurichten und gegenüber dem Gericht regelmäßig
Bericht zu erstatten.
Es ist auch möglich, dass das Gericht den Pflegeeltern nicht die
gesamte Vormundschaft überträgt, sondern lediglich eine Pflegschaft und
für im Pflegeverhältnis problematischere Bereiche (z.b. das Umgangsrecht
oder die Vermögenssorge) einen Ergänzungspfleger bestellt.
Pflegeeltern, die Vormund für ihr Pflegekind werden, bleiben Pflegepersonen gem. § 33 SGB VIII Vollzeitpflege und haben weiterhin Anspruch sowohl auf Pflegegeld als auch auf Unterstützung und Beratung des Jugendamtes.
Andere Personen als Einzelvormund
Wenn Pflegeeltern nicht als Vormund in Betracht kommen, weil es z.B.
zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, kann auch einen andere
neutrale Person zum Einzelvormund bestellt werden. Dies kann entweder
eine Person aus dem Umfeld des Kindes oder aber eine dem Kind bisher
noch unbekannte, mit der Problematik von Pflegekindern aber vertraute
Person sein (z.B. ein Vertreter eines Verbandes, eine erfahrene
Pflegemutter). Sowohl die Pflegeeltern als auch die Person selber können
dem Gericht als in Frage kommender Vormund benannt werden, bzw. sich
vorschlagen. Das Gericht hat dann zu prüfen (wie oben beschrieben).
Projekt: Ehrenamtliche Einzelvormünder für Pflegekinder der BAG KiAP
Ausgehend von der Vorrangigkeit von Einzelvormündern führte die BAG
KiAP ein Projekt zur Gewinnung, Schulung und Begleitung von
ehrenamtlichen Vormündern durch. Weitere Informationen hier.
Anmerkung: Alle Ausführungen bezüglich der Beantragung und Führung
der Einzelvormundschaft gelten auch für die Pflegschaft (§ 1915 BGB).
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind
Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe
am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach
Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die
Stellungnahme
1. eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2. eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder
3. eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über
besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern
und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der
Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Deutschen
Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen
deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die
Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Die Hilfe
soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die
Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
1. in ambulanter Form,
2. in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3. durch geeignete Pflegepersonen und
4. in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises
sowie die Art der Leistungen richten sich nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1,
den §§ 54, 56 und 57 des Zwölften Buches, soweit diese Bestimmungen
auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte
Personen Anwendung finden.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen
Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die
geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen
als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische
Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in
Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es
zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen
behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn
a.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
b.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
1.
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
2.
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer
Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder
Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen
Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten
Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen;
im Fall von Satz 1 Nr. 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer
anderen Person wegzunehmen.
2.Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme die Situation, die zur
Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu
klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem
Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine
Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während
der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen
und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe
sicherzustellen; § 39
Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der
Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl
des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der
Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu
berücksichtigen.
3,Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 die
Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der
Inobhutnahme zu unterrichten und mit ihnen das Gefährdungsrisiko
abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder
Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt
unverzüglich
1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder
Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des
Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die
Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind,
die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen
Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so
gilt Satz 2 Nr. 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 ist
unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu
veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der
Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur
Gewährung einer Hilfe einzuleiten.
4.Die Inobhutnahme endet mit
1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.
5.Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur
zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib
oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib
oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne
gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem
Beginn zu beenden.
6.Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs
erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.